Signale

Kommt ihnen das Gerede vom Aufschwung und vom Wachstum auch spanisch vor? Aufschwung, Wachstum und noch einmal Aufschwung und noch mehr Wachstum – dieser Tage wird man das Gefühl nicht los, dass die Volkswirtschaften überall wachsen und das mit einer Euphorie, dass einem schon ganz mulmig werden kann.

Das Wachstum ist in den USA hervorragend, in Europa blühend und sogar in China zeigen die Statistiken immer noch Werte für ungebremstes Wachstum. Deutschland jauchzt vor lauter Wachstum, die Industrie blüht, die Kurzarbeit wird eingestellt. Die Arbeitslosenzahlen sinken. Leserherz was willst du mehr?

Doch wie kann das sein? Wie kann die Wirtschaft wachsen, wenn die Staaten alle verschuldet sind und sparen (müssen)? Wie können Unternehmen Produkte verkaufen, wenn die Auftraggeber auch klamm sind? Und noch eine Frage ist wesentlich: wenn die Mitarbeiter am Mindestlohn agieren und Leiharbeit und befristete Zeitverträge die Regel sind, woher soll dann die Nachfrage nach mehr Produkten kommen? Sieht so Aufschwung und Wachstum aus?

Naja, irgendetwas werden die Unternehmen produzieren, denn die Maschinen laufen ja, könnte eingeworfen werden. Dieses Geld kommt aber nicht aus echter Nachfrage, sondern ist durch die vielen Konjunkturprogramme bedingt, welche weltweit noch Aufträge generieren. Außerdem hat sich weltweit eine Grundskepsis etabliert, welche berechtigte Zweifel am Papiergeldsystem hat. Diese Leute geben noch Geld aus, solange es noch etwas Wert ist, was aber kommt danach?

Wachstum muss auch immer im großen Bild und im richtigen Verhältnis gesehen werden. Wenn nun in einem Wirtschaftszweig oder einer Volkswirtschaft ein Wachstum von 4% als Gottes Segen gepriesen und gefeiert wird, dann darf nicht vergessen werden: zuvor wurden regelmäßig Minuszahlen gemeldet. Es kommt also auf die Relationen an.

Es hat den Anschein, als ist die Story über das Wachstum eine koordinierte Aktion, es scheint als müsse die Bevölkerung vom Wachstum überzeugt werden. Und wenn irgendjemand noch Zweifel hat, dann soll er sich die Börsen ansehen, die steigen auch, denn die Wachstumsstory beflügelt auch die Aktienmärkte. Jeder weiß, Aktienmärkte sind von der tatsächlichen Wirtschaft abgekoppelt, aber als Argumentation hält es eben her.

Was ist die Ursache, den Leuten die Wachstumsstory glaubhaft zu machen? Dafür muss man wissen, dass die aktuelle Krise eine beispiellose ist, wir alle sind sozusagen Zeitzeugen einer nie dagewesenen Epoche. Die Weltwirtschaft ist seit dem Jahr 2007/2008 in einer Abwärtsspirale und diese ist noch nicht zu Ende. Das heißt, der Wirtschaftskreislauf erlahmt. Die Unternehmen verkaufen weniger Produkte, die Mitarbeiter werden entlassen oder als Billigkräfte weiterbeschäftigt, diese können sich noch weniger leisten und die Unternehmen verkaufen noch weniger, manche müssen schließen usw. Eine zugegeben einfache Darstellung des Wirtschaftszyklus, aber es geht hier um das Grundverständnis.

Um dieser Abwärtsspirale entgegen zu wirken, haben Zentralbanken die Zinsen nahe null gesenkt, sie monetisieren zusätzlich wertlose Wertpapiere, um noch mehr Geld in die Märkte pumpen zu können. Staaten retten Unternehmen (z.B. Bankenrettung) und Branchen (z.B. Autoindustrie) und stützen die Wirtschaft mit einer Flut an Konjunkturspritzen. Das passiert nicht nur in einem Land, sondern auf der ganzen Erde. Auch in dem Land der aufgehenden Sonne China geht nichts mehr ohne Konjunkturhilfen.

Stützungsmaßnahmen sind also unabdingbar, will man die Abwärtsspirale stoppen. Es wird an allen Stellen geholfen. Wenn also der Turm der Weltwirtschaft jahrzehntelang auf Schulden aufgebaut wurde, immer höher und immer wackeliger geworden ist, dann sind wir genau jetzt an einem Punkt angelangt, an dem die ersten Steine der obersten Reihe bereits herunter in die Tiefe gestürzt sind.

Sie sehen, der Turm der Weltwirtschaft wackelt gewaltig und droht umzustürzen, alle Aktivitäten dienen nur diesem einen Zweck: der Turm darf nicht umstürzen!

Wie bereits seit zwei Jahren gesehen, helfen die Stimulierungsmaßnahmen nicht. Egal was die Staaten versuchen, die Wirtschaft kommt nicht in Gang. Das ist nicht nur in einem Land der Fall, sondern weltweit.

Warum also nun dieses Gerede über „blühendes Wachstum„, über „die Krise ist vorbei„, über „kein Double Dip Szenario“ und es wird „kein Rückfall in die Rezession geben„? Warum will man den Menschen Wachstum eintrichtern, obwohl es offensichtlich kein „echtes“ Wachstum gibt?

Dafür muss man wissen, dass eine Rettung aus dieser Krise nur über zwei Wege möglich ist. Entweder es wird Krieg geführt oder Wachstum generiert. Mit Krieg kann man neue Märkte erschließen, um wieder gesundes Wachstum zu generieren. Zusätzlich kann man sich Rohstoffe aneignen und seine Schatztruhe mit Schätzen des übernommenen Landes auffüllen. Krieg ist aber nicht einfach anwendbar, erstens gibt es keine Garantie, dass man diesen auch gewinnt, außerdem man braucht man Verbündete und wer weiß, ob der Kriegstreiber von heute nicht der Angegriffene von Morgen ist. Also kommt Krieg nur als Ausnahme in Frage.

Damit bleibt nur ein Ausweg aus der Krise: Wachstum

Jetzt wird dem Leser klar, warum die Medien pausenlos über das ach so tolle Wachstum berichten, warum die Medien seitenlang über geringe Arbeitslosenzahlen reden, warum Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden sollen (suggeriert, dass man mit eigenen Arbeitskräften dem Wirtschaftswachstum nicht nachkommt). Die Zahlen für die Arbeitslosenzahlen sinken und sinken, kein Winter, keine Urlaubssaison kann den Zahlen etwas anhaben. Jede Meldung wird gefeiert. Die Arbeitslosenquote sinkt und sinkt. Wenn es nicht zu dreist wäre, würde man bald sogar fast von Vollbeschäftigung sprechen wollen. Die Arbeitslosenzahlen von früher sind nicht mehr die gleichen. Damals wurden Vollbeschäftige aus der Statistik herausgenommen, heute fliegt fast jeder heraus, ob nun in einer Weiterbildungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, Arbeitslose über 58 Jahre, Kurzarbeiter und Arbeitslose, welche von externen Anbietern betreut werden, all diese erscheinen nicht in der Statistik obwohl sie faktisch arbeitslos sind.

Warum also Wachstum? Wachstum ist nämlich deshalb wichtig, weil es die Abwärtsspirale in eine Aufwärtsspirale wendet. Neue Produkte werden entwickelt, die Nachfrage nach den neuen Produkten kommt in Gang, Unternehmen modernisieren ihre Maschinen und machen Bestellungen. Diese Firmen, welche die angefragten Produkte produzieren stellen Mitarbeiter ein, diese bekommen Gehalt, mit dem Einkommen gehen sie einkaufen usw.

Nur, es muss auch Käufer geben. Derzeit gibt es nur Konjunkturprogramme und billiges Geld, sonst nichts. Da hilft es auch nicht, dass Güter subventioniert werden und dadurch günstiger sind. Keine Firma wird investieren, wenn es keine Aussicht auf Erfolg hat.

Die tatsächlichen Aussichten zeigen ein ganz anderes Bild, welches aber von den Medien ausgeblendet wird: alle Wirtschaftsteilnehmer haben sich übernommen. Alle sind pleite. Unternehmen, Bevölkerung und Staaten haben keinen Cent mehr. Jede noch so kleine Auktion an neuen Staatsanleihen, welche an den Mann gebracht wird, wird in allen Medien gefeiert. Warum? Weil es kaum mehr Investoren gibt, die bereit sind, Geld zu verleihen, wenn es doch sehr wahrscheinlich nicht mehr zurückkommt. Es muss gute Laune verbreitet werden, damit das Spiel der neuen Schulden weitergehen kann.

Der Wirtschaftskreislauf wird heute nur noch mit Geld aufrechterhalten, welches irgendjemand leiht, ja sogar leihen muss. Die Bank verleiht einem Unternehmen Geld, dieser investiert mit dem geliehenen Kapital, produziert Güter und zahlt dem Verleiher Zinsen und Geld zurück.

Den Verbrauchern geht es ähnlich. Heute werden Autos, Kühlschränke und Fernseher nur noch über null Prozent Angebote gekauft. Anders kann man die Kunden kaum noch animieren. Jemand verleiht dem Verbraucher für Monate das Geld und dieser kann dann in kleinen Raten das Produkt abbezahlen.

Geld regiert die Welt, heißt es bekanntlich. Das ist auch wahr, denn nur wer Geld hat, kann auch die Regeln machen, nur wenn jemand einem Staat Geld verleiht, kann dieser auch noch seine Aufgaben nachkommen. Ohne frisches Geld kann kein Land der Erde noch operieren, zu hoch sind die Kosten des Staatsbetriebes. Deshalb steigen die Schulden auch von Jahr zu Jahr. Im Normalfall soll der Staat durch Steuern Geld einnehmen und dann das Geld zum Gemeinwohl einsetzen. Mit Steuereinnahmen kann man heute die enormen Staatskosten nicht mehr bedienen, weil die Ausgaben aus dem Ruder gelaufen sind. Wenn also kein frisches Geld hereinkommt, werden z.B. Bedienste nicht bezahlt werden.

Wussten Sie, dass in dem Superwachstumsstaat USA in mehreren Bundesländern die Gehälter von Lehrern und anderen Bediensteten nicht bezahlt wurden? Wussten Sie, dass Lieferantenrechnungen in Kalifornien mit Schuldscheinen bezahlt werden? Auch die Menschen, welche eine Einkommenssteuerrückzahlung erhalten sollen, bekommen diesen Schuldschein. Das Papier nennt sich IOU= „I owe you“ = „Ich schulde dir“. Irgendwann im Herbst sollen die Inhaber dieser Schuldscheine ihr Geld bekommen. Schlimm für die Empfänger ist, dass diese Schuldscheine von niemandem anderem akzeptiert werden. Das heißt, der Lieferant kann den Schein nicht weitergeben, wenn er Rohmaterialien einkaufen möchte. Schulen werden nicht mehr gefördert und Beamte müssen tageweise in den Zwangsurlaub. Dieses drohende Pleitebeispiel zeigt die Situation nur aus dem einen Staat Kalifornien und gleichzeitig der achtgrößte Volkswirtschaft der Welt, tatsächlich kämpfen insgesamt 48 der 50 US-Bundesstaaten mit massiven Haushaltsproblemen und können nur überleben, weil Washington hilft. Sie werden es ahnen, auch Washington hat bis zum Hals Schulden, eher bis zur Oberkante Unterlippe.

Bei all den dunklen Wolken, welche in diesem Artikel aufgetaucht sind und das Bild trübe gemacht haben, wird Folgendes unterstrichen: der Text fasst die Tatsachen zusammen. Man kann also der Realität ins Auge sehen oder sich von dieser überraschen lassen.

Somit wird klar, warum uns überall Wachstum vorgegaukelt wird. Die einzige Rettung für die Politik, um aus der Krise herauszuwachsen ist also Wachstum zu propagieren. Nur der Glaube, dass der riesige Turm der Weltwirtschaft nicht umfällt, hält das Konstrukt zusammen.

Der hohe Turm der Weltwirtschaft darf nicht umstürzen!

Lesehinweis

Wir empfehlen das Buch „Verstehen Sie Geld?„, um mehr über dieses wichtige Thema zu erfahren. Hier geht es zu Amazon (hier ansehen).

ISBN: 978-3-7439-1275-5, Seiten: 328, Preis 19,90 Euro

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

start-trading Team

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